INHALT riesige Rhododendron-Wälder bedecken gro?e Flächen Schottlands
Schottland bietet der Pflanze exzellente Lebensbedingungen so dass sie sich ungehindert ausbreiten kann
die Invasion der resistenten Pflanze könnte zum ökologischen Desaster werden
Von den Pflanzen in Schottland, die im späten Frühjahr blühen, sticht vor allem der Rhodendron hervor.„Schottland: Das ist auch das Land der wilden Rhododendren, sie klettern die Hügel hinauf, erobern Täler und Wiesen und lassen Berge aus der Entfernung wie riesige blaue oder rosafarbene Sofakissen aussehen.“ So heißt es im Klappentext zu Peter Sagers "Schottland", erschienen im Verlag Schöffling & Co. Die Größe und Vielfalt dieser der zu den Heidekrautgewächsen gehörigen Pflanze werden vor allem durch das gemässigte Klima, viel Regen und den sauren schottischen Boden begünstigt. Aber obwohl der Rhododendron im Mai und Juni in den herrlichsten Farben vor allem an der Westküste Schottland, aber auch immer mehr in den Wald- und Moorgebieten der östlichen Highlands blüht, wird er in Schottland von Naturschützern nicht gern gesehen.
Der Rhododendron ponticum, wie er mit vollem Namen heißt, wurde inzwischen zum "Staatsfeind N° 1" erklärt.
Schon lange suchen die staatlichen Waldhüter der „Forestry Commission“ und alle großen Natur- und Umweltschutzorganisationen nach Wegen, um der wild wuchernden Pflanze Herr zu werden. Aber der Rhododendron wächst in Schottland wie Unkraut. 2014 hat James Fenton, einer der führenden Ökologen des National Trust dazu aufgerufen, den Rhododendron mit vereinten Kräften zu vernichten und den Feldzug zur Top Priorität zu erklären.
Rhododendron ponticum ist eine von rund 1000 auf der Welt wild vorkommenden Rhododendronarten. Sie stammt ursprünglich - wie der Name andeutet - aus dem Pontischen Gebirge an der türkischen Schwarzmeerküste. Von dort breitete sie sich über ganz Südeuropa aus, erreichte die Westküsten Spaniens und Portugals und drang von dort aus auf natürlichem Wege bis in südirische Gunsträume vor. Von dort zog sie sich aber während der letzten Eiszeit wieder zurück.
Die Pflanze gedeiht auch in gemäßigten, marinen Klimaten mit Niederschlägen zwischen 500 und 1000 mm/Jahr, solange sie einen gut entwässerten, humusreichen Boden mit einem pH-Wert >5,0 vorfindet. Sie dringt auch in höhere Lagen vor, soweit es dort nicht zu länger andauernden Frösten kommt. Sie findet in den geschützten Lagen der schottischen Westküste also nahezu ideale Standort- und Wachstumsbedingungen vor.
Die ersten Blüten zeigen sich im Alter von 10 bis 12 Jahren und von dem Moment an produziert jede erwachsene Pflanze bis zu 1 Millionen Samen, die wegen ihres geringen Gewichtes leicht über Distanzen von mehr als 500m verweht werden können.
So empfindlich die Keimlinge und Jungpflanzen sind, so widerstandsfähig ist die Pflanze im Alter.
Genau darin aber liegt das Problem, von dem man nichts ahnte, als Conrad Loddiges 1763 einige Jungpflanzen aus dem spanischen Cadiz nach Schottland brachte, um die viktorianischen adeligen Landsitze zu dekorieren.
Einmal aus den Gärten und Parks, die sie im 19. Jahrhundert eroberte, ausgewildert, verbreitete sie sich rasch wie eine Invasion. Seit 1939 beobachtet man eine rasant beschleunigte Verbreitung, wobei die immergrüne Pflanze, die den Schatten der Wälder liebt, die gesamte heimische Vegetation in den einmal befallenen Flächen verdrängt und so auch der heimischen schottischen Fauna wichtige Lebensräume nimmt. Auch die schottischen Tierwelt ist betroffen, da die Invasion – die sich zum sogannten "complex variable hybrid swarm" ausgeweitet hat – Moose, Farne, Insekten und Tiere gleichermassen verdrängt.
Verschärft wird das Problem dadurch, dass es durch Wildkreuzung mit der aus Nordamerika stammenden Rhododendron catawbiense zu einer natürlichen Hybridisierung (R. ponticum x R. catawbiense) gekommen ist. Diese Hybride ist im Gegensatz zu R. ponticum frostresistent und bedroht nun auch Wald- und Heideflächen in Ostschottland, die dem Rhododendron ponticum wegen der vorkommenden Fröste verschlossen geblieben wären.
Seit dies bekannt wurde, versucht man der Landplage, zu der die Rhododendren in einigen Gebieten Schottlands mittlerweile geworden sind, mit allen Mitteln beizukommen.
'Rhody bashing' wird die bekannteste, weil preiswerteste Methode genannt, um den Rhododendron zu vernichten.
Jährlich ziehen Hunderte freiwilliger Helfer aller Natur- und Umweltschutzorganisationen los, roden das oberirdische Buschwerk und graben die Wurzeln aus. Einfaches Abholzen hilft nämlich nicht, da selbst die bis auf die Erdoberfläche zurück geschnittenen Altpflanzen wieder - dann sogar verstärkt - austreiben.
Der Einsatz zeigt Erfolge, ist aber insgesamt viel zu langwierig, um dauerhaft gegen die natürliche Ausbreitung anzukämpfen. Die Bemühungen reichen nicht einmal, um die weniger natürlichen Eichenwaldreste sicher zu schützen.
Der Einsatz von schwerem Gerät erwies sich als zu teuer, wie auch der Einsatz von chemisch gewonnenen Herbiziden, die zudem vielleicht noch ungeahnte Umweltrisiken bergen. Seit August 2004 versucht der National Trust for Scotland in seinem Landschaftspark Inverewe Garden einen neuen Weg zu gehen: Weil die R. ponticum selbst die anderen in den Inverewe Garden vorhandenen Rhododendronarten in ihrem Bestand gefährdeten, wurden die Rhodendron-Stämme mit dem einzig bekannten natürlichem "Herbizid" geimpft, dass den R. ponticum gelegentlich auch in ihrer türkischen Heimat den Garaus macht. Die Pflanzen sterben langsam ab und verrotten mitsamt Wurzelwerk auf natürliche Weise.