Mittelalter: Die Entstehung Schottlands


INHALT
  • die gälische Sprache kam mit den Skoten nach Schottland

  • die Skoten führten das Christentum ein

  • König Artus hat seine Tafelrunde in Stirling abgehalten

  • aus den Pikten und Skoten entstand das heutige Schottland

  • im 11.-13. Jh. wuchs Schottland zu einer europäischen Macht an

Die Skoten (ca. 200 n. Chr. - 842 n. Chr.)

Nachdem die Römer die Insel verlassen haben, beginnt in Schottland das sogenannte dunkle Mittelalter: Nur wenige Aufzeichnungen und Quellen berichten von den Geschehnissen in dieser Zeit und Historiker verbringen viel Zeit damit, die wenigen Puzzleteile zu einem Ganzen zu fügen.

Die Quellen deuten jedoch darauf hin, dass Schottland zwischen 200 n. Chr. und 900 n. Chr.von einer weiteren Besiedlungswelle durch irische Gälen überschwemmt wurde. Diese siedelten wiederum dort, wo sich auch schon ihre Vorfahren niedergelassen hatten: An der schottischen Westküste und auf den Hebrideninseln im Atlantik, wo sie von nun an das Königreich Dal Ríata darstellten.

Ihr Krönungszeremoniell sah vor, dass der König seine Verbundenheit mit und Herrschaft über das Land bezeugen musste. Dafür nutzte man einen Fels, der eine Einkerbung in Form eines Fußes hatte. Es ist wahrscheinlich, dass der König während der Zeremonie mit einem Fuß in dieser Kerbe stand. Eine Replik dieses Krönungssteins findet sich noch heute an der originalen Stelle im Kilmartin Glen, wo die Überreste der gälischen Königsfestung Dunadd noch heute zu sehen sind. Das Original kann man im National Museum in Edinburgh bestaunen.

Die irischen Kelten brachten auch die gälische Sprache nach Schottland und in ihrer Sprache nannten sie sich ‘Skoten’, was im gälischen so viel wie “die Besten” heißt. Da die Gälen als Eroberer nach Schottland kamen, ist es nicht verwunderlich, dass sie sich einen einschüchternden Namen gaben und wahrscheinlich auch als Kriegsruf nutzen, um die gegnerischen Pikten und Römer zu beeindrucken.

Mit den Skoten kam auch die christliche Kirche wieder nach Schottland – die Römer waren seit 325 n. Chr. mit Konstantin christlich geworden und hatten die Religion erstmals auf der britischen Insel eingeführt. Die damals vorherrschende piktische Kirche hielt sich zwar noch viele weitere Jahrhunderte, konnte gegen den Siegeszug der römisch-katholischen Kirche am Ende aber kaum gewinnen.

Die Vorteile lagen auf der Hand: Durch die Kirche kam das Schrifttum ins Land – und nichts ist praktischer für einen König als schriftliche Dokumente, um seine Macht und Rechte zu untermauern. Aber dafür müssen diese Schriftstücke von seinen Untertanen verstanden werden: Bildung und Lehrwerke also ein zweites Argument zu Gunsten der römisch-katholischen Kirche. 

In Argyll liegt der schottische Krönungsstein Dunaad.
Die piktisch-christlichen Kreuze sind Zeugen des schottischen Mittelaters.
Die mittelalterliche Ruine von Dryburgh Abbey ist der Ruheplat Sir Walter Scotts.
Die Hügelfestung Dunadd im schottischen Argyll war einst der Krönungsplatz der Könige.

Kein Wunder also, dass in dieser Zeit viele noch heute verehrte christliche Missionare Schottland bereisten. So kennen wir z.B. St Ninian (397-432 n. Chr.) und St Columba (521-597 n. Chr.). Columba hatte sich von Irland kommend auf der Insel Iona niedergelassen und dort ein Kloster gegründet. Hier weihte er bereits im Jahre 573 n. Chr. den ersten König auf schottischem Boden, König Fergus Mor.

Da es wenig schriftliche Dokumente aus dieser Zeit gibt, entstammen natürlich viele auch Legenden und Sagen aus dieser Zeit. So zum Beispiel auch die über den berühmten König Artus (400-800 n. Chr.), der seine Tafelrunde im schottischen Stirling Castle abgehalten haben und in den Eildon Hills bei Melrose begraben worden sein soll.

Von Piktland zu Skotland (840 n. Chr. - 1038 n. Chr.)

Im Mittelalter gehörte der Osten Schottlands also den piktischen Stämmen und der Westen den Skoten. Um 500 n. Chr. siedelten die britonischen Kelten aus Wales im Südwesten und im Südosten ließen sich zur selben Zeit die Angelsachsen nieder. Aus diesem Konglomerat aus Völkern sollte sich die spätere schottische Nation bilden, aber erst mussten die Pikten und Skoten um die Vorherrschaft kämpfen und den Süden Schottlands erobern:

840 n. Chr. folgte der Skote Kenneth MacAlpin seinem Vater auf den Thron von Dal Ríata. Nur zwei Jahre später rief er das vereinte Königreich der Skoten und Pikten aus, nannte es Piktland und proklamierte sich selbst als dessen König (der piktische König war kurz zuvor praktischer Weise aus dem Weg geschafft worden).

Kenneth MacAlpin verlegte daraufhin seinen Hauptsitz von Dunaddan der Westküste Schottlands nach Scone (sprich: ‘Skuhn’) nahe dem heutigen Perth an der schottischen Ostküste. Und seinen eigenen Krönungsstein brachte er auch gleich mit: Den berühmten ‘Stone of Destiny’ bzw. seitdem auch ‘Stone of Scone’ genannt. Kenneth wurde damit Hochkönig, der über verschiedene Unterkönige (‘Mormaers’ bzw. ‘Thans’) herrschte, die eigenständig in ihren Gebieten regierten.

Zwei Generationen später war auch die kulturelle Verschmelzung beider Völker komplett: Die beiden Enkel von Kenneth, Donald II. und Constantine II. (889-943 n. Chr.), waren gebürtige Pikten, die aus Sicherheitsgründen in Irland aufwuchsen. Historiker sehen in ihnen die ersten Könige, die aus den beiden verschmolzenen Völkern der Pikten und Skoten hervorgingen.

Als ihre Nachkommen Malcolm II. im Jahre 1018 das Gebiet der Angelsachsen (das heutige Lothian um Edinburgh) und Duncan I. 20 Jahre später das Gebiet der Britonen (bei Glasgow) eroberten, war Schottland in seinen heutigen Ausmaßen geboren. Zu dieser Zeit nannten sich die Könige auch erstmals Herrscher von Skotland. Von nun an begann das vereinte Schottland zu wachsen und zu gedeihen.

Haus Canmore (1058 n. Chr. - 1286 n. Chr.)

Mit König Malcom III. und seiner Frau Margaret aus dem Haus Canmore blühte Schottland regelrecht auf. Die beiden bauten viele Festungen und Schlösser und gründeten ihren Hauptsitz in Dunfermline, Fife. Beide waren am angelsächsischen Hofe aufgewachsen und öffneten das Land für den seit 1066 normannischen Süden. Sie holten die ersten Benediktinermönche ins Land, führten das Lehnswesen und die romanische Kunst ein. Viele normannische Ritter ließen sich hier nieder und legten damit den Grundstein vieler späterer Adelshäuser und Highland Clans wie z.B. Clan Bruce, Clan Fraser, Clan Sinclair und die Stuarts.

Bis zur Herrschaft Malcoms III. galt in Schottland die Nachfolgeregelung der ‘Tanistry’: Hierbei wurde zu Lebzeiten des Königs der Nachfolger aus allen männlichen Mitgliedern der Königsfamilie bestimmt. Das führte natürlich zu übermäßig vielen Kämpfen, unerklärten Todesfällen und recht vielen Unfällen unter den Aspiranten. Bis zu diesem Zeitpunkt war keiner der schottischen Könige eines natürlichen Todes gestorben – Malcolms Vorgänger starben alle entweder im Kampf oder weil einer der potentiellen Nachfolger ungeduldig wurde. Viele designierte Könige starben auch, bevor sie den Thron besteigen konnten, um anderen Kandidaten den Weg frei zu machen.

Aber damit war der positive Einfluss des Hauses Canmore noch nicht vorbei: König David I. von Schottland, der jüngste Sohn Malcolm III. und Margarets, führte im 12. Jh. die Münzprägung ein, gründete zahlreiche freie Städte (‚royal burghs’ wie z.B. Edinburgh, Berwick, Perth, Aberdeen, Stirling, Dundee und Elgin), festigte das Rechtssystem und führte einen Kronrat ein, der als Vorläufer des heutigen Parlaments gilt. Da durch die neue Erbfolgeregelung auch minderjährige Könige auf den Thron kommen konnten, kam er auf die Idee in diesen Fällen die Regentschaft des Kronrats einzuführen, die sogenannten ‘Guardians’.

Er holte französische und englische Ritter ins Land und formte somit als erster in Schottland ein typisches Feudalsystem wie man es aus dem Rest von Europa kennt. David I. gründete auch zahlreiche Klöster (z.B. Kelso, Jedburgh, Melrose, Dryburgh, Holyrood, Selkirk) und führte Bischöfe und Bistümer ein.

Die Veränderungen während seines Regimes waren so umfangreich, dass man heutzutage sogar von einer Davidianischen Revolution spricht. Seine Macht festigte er vor allem durch das Feudalsystem und die ihm ergebenen französisch-englischen Ritter. Die Verwaltung dieses großen Landes sicherte er mit der Gründung der Klöster, deren Schriftgelehrten er für administrative Zwecke nutzte. Die Zisterzienser brachten außerdem neue landwirtschaftliche Techniken ins Land, die Schottland schnell zum Zentrum des europäischen Wollhandels werden ließen.

Sein Sohn William I. ‚der Löwe’ (1165-1214) machte dann jedoch den Fehler, 1173 die Engländer anzugreifen. Er geriet in Gefangenschaft und wurde nach Frankreich verschleppt, wo  er den Vertrag von Falaise unterschreiben musste. Damit erkannte erstmals ein schottischer Herrscher die englische Oberherrschaft an und leistete quasi einen Lehnseid an Heinrich II. von England. Wenige Jahre später kauften sich die Schotten jedoch davon wieder frei.

Williams Sohn Alexander II. (1214-1249) sah seine Gelegenheit gekommen, als die englischen Barone sich gegen den englischen König auflehnten. Er fiel in das geschwächte Nordengland ein und ließ seine Ansprüche auf diesen Landstrich in der Magna Charta (1215) festschreiben. Zusammen mit dem französischen König Ludwig VIII. belagerte man daraufhin Dover Castle.

Allerdings starb King John während der Belagerung und somit auch der Grund für die englischen Barone, gegen das Königshaus zu kämpfen. Sein Nachfolger, Heinrich III. von England, war gerade mal 9 Jahre alt und für die Barone natürlich ein leicht zu lenkender Herrscher. Infolgedessen schrieb man die Magna Charta um und entfernte Alexanders Ansprüche und zwang den 17-jährigen schottischen König, vor dem jungen englischen König das Knie zu beugen.

Daraufhin widmete sich Alexander II. ganz und gar Schottland: Er einte das bis dahin durch die Thans bzw. Mormaers zerteilte Land, holte die Gälen aus dem Norden und die Normannen auf seine Seite, schloss mit Heinrich III. den Vertrag von York, der die schottisch-englische Grenze sicherte und regierte am Ende das gesamte schottische Reich – ohne die Inseln. Er führte regelmäßige Treffen des Parlaments ein, ließ auch die Städtevertreter daran teilnehmen und sorgte dafür, dass sich während seiner immerhin 35 Jahre währenden Herrschaft eine schottische Identität bildete.

Er versuchte außerdem, Orkney und Shetland von den Wikingern zurückzuerobern, starb jedoch bei dem Versuch. Mit seinem Sohn Alexander III. (1249-1286) und dem tragischen Tod dessen Frau, seiner drei Söhne und seiner Enkelin Margaret endete die Herrschaft des Königshauses Canmore und die Unabhängigkeitskriege gegen England begannen. 

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