INHALT steigende Touristenzahlen in den letzten Jahren
Engpässe an den beliebtesten Hotspots und Sehenswürdigkeiten
Unterkunftsknappheit in der Hochsaison
unsere Tipps für den Urlaub
Es war einmal
Schottland ist ein kleines und dünnbesiedeltes Land. Mit knapp 78.000 km2 Fläche ist Schottland ein wenig größer als das Bundesland Bayern, vereint aber nur 5,4 Mio. Einwohner auf sich (die Metropolregion Münchens alleine zählt 5.7 Mio. Menschen). Lange Zeit galt Schottland als Geheimtipp für Urlauber, die Natur, Weite, nordisches Klima und Einsamkeit lieben. Selbst in den Sommermonaten konnte man spontan vor Ort aus einer Fülle an Unterkünften wählen.
Aus dieser Zeit sorglosen Reisens zeugen immer noch die Schilder, die an vielen B&Bs angebracht sind und vorbeifahrenden Gästen und Backpackern andeuten, ob freie Kapatitä?ten vorhanden sind ("vacancies"). Dies hat sich in den letzten 2 bis 3 Jahren allerdings grundlegend gewandelt. Wer in den Hochsaison-Monaten Juni-August heute nicht mehrere Monate im Voraus gebucht hat, hat in vielen Regionen vor Ort oft keine Chance auf einen Schlafplatz mehr.
Aufstieg zum Touristenmagnet
Schottland ist zum Urlaubstrend geworden und die Tourismusbranche freut sich! Nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Serien ("Outlander effect"), Dokumentationen, Hollywood Filme und Bestseller zog Schottland bereits im Jahre 2016 über 14 Mio. Touristen aus aller Welt an – fast dreimal so viel Besucher wie die eigene Bevölkerung.
Die Sommersaison 2017 hat diesen Trend sogar noch übertroffen: Nicht nur das schwache Pfund (Brexit) ist für ausländische Touristen ein Plus, auch die verbesserten Flugverbindungen steigern die Atttraktivität des Landes für Gäste aus den USA und Asien. Aufgrund der globalen Erderwärmung, die einige klassische Urlaubsziele im Süden ungeniessbar macht, wird das nordische Klima nach und nach anziehender. Und nicht zuletzt ziehen Meldungen wie die Auszeichnung zum “schönsten Land der Welt” (Rough Guides) ein enormes Medienecho nach sich und setzen Schottland ganz oben auf die Liste der nächsten Feriensaison.
Wie in den vergangenen Jahren bereisten auch 2017 die meisten Besucher die Highlands und Inselwelten von Schottland zwischen Juni und September. Kein Wunder, dass Schlagzeilen von ausgebuchten Touristen-Hotspots wie der Isle of Skye und langen Warteschlangen vor beliebten Sehenswürdigkeiten wie dem Edinburgh Castle in der Hauptreisezeit immer häufiger in den Medien zu sehen sind.
Wer das schottische Hinterland schon einmal in der Nebensaison besucht hat, versteht, wieso hier bisher nur wenig in eine flächendeckende touristische Infrastruktur investiert wurde.
Wenn der Besucheransturm des Sommers verebbt, stehen viele der Unterkünfte leer und Parkplätze und andere Einrichtungen bleiben ungenutzt. Genau diese Saisonalität wird den beliebtesten Urlaubsdestinationen in der Hochsaison nun zum Verhängnis: Autos blockieren die Strassen, öffentliche Toiletten sind Mangelware und wer Pech hat, muss die letzte Fähre aufs Festland nehmen, weil kurzfristig kein Bett für die Nacht zu finden ist. Kein Wunder, dass diese Situation auch den Anwohnern zu schaffen macht und Hilferufe nach einer Tourismussteuer laut werden – mit einer Abgabe von £ 1 pro Nacht könnten die dringend notwendigen Ausbauten und die Unterhaltung der Strassen, Parkmöglichkeiten, Müllentsorgung und sanitären Anlagen leichter gestemmt werden. Entschieden ist freilich noch nichts: Neben den Befürworter einer Touristensteuer gibt es auch vehemente Stimmen dagegen. Schliesslich sind die Urlauber als zahlungskräftige Kunden vor allem in den abgeschiedenen Regionen des Landes mehr als willkommen und viele Hotels und B&Bs würden gerne auf eine zusätzliche finanzielle Belastung ihrer Gäste verzichten. Auch in Edinburgh wehren sich die Gastwirte gegen eine Besteuerung: Wo Zimmer zu den Festivalzeiten im Sommer sowieso schon ein Vermögen kosten, soll nicht noch mehr verlangt werden.
So mancher mag all dies unter Jammern auf hohem Niveau verbuchen – schliesslich beschwert man sich umgekehrterweise auch wieder, wenn die Touristen fernbleiben – aber deutlich wird in dieser Diskussion zweifellos, dass eine langfristige Entwicklungsstrategie der Tourismusbranche dringend nötig ist und infrastrukturelle Verbesserungen nicht länger aufgeschoben werden können. Denn letztendlich kann sich auch Schottland nicht auf seinem guten Ruf ausruhen: Wenn die Urlaubsqualität nachlässt, schwindet auch das Interesse.
Um ebendies zu verhindern, treten neue Akteure in den Vordergrund: Anstatt sich vor einigen wenigen berühmten Aussichtspunkten zu drängeln, könnte es in Zukunft interessanter werden, die bisher weniger bekannten und beworbenen Landstriche wie die Border Regions oder die Isle of Arran zu erkunden. Auch Edinburgh besteht nicht nur aus der Royal Mile und lädt auf einen Bummel durch Leith oder Stockbridge ein. Auch wird die Nebensaison oft zu unrecht unterschätzt: Wer schon einmal die sonnengeküsste Osterzeit oder den herbstlichen Frühnebel in den Highlands, das herrlich modellierende Licht im Winter erlebt hat, verspürt wenig Verlangen danach, im Juli oder August um einen Schlafplatz zu kämpfen.
Tipps für die Urlaubsplanung
Damit der geplante Schottlandurlaub so reibungslos wie möglich abläuft, sollte vor allem eines beachtet werden:
Früh buchen! Hotels, B&Bs und Ferienwohnungen sind oftmals schon Monate im Voraus ausgebucht.
Unterkünfte in Edinburgh für den Festivalmonat August sind teilweise schon ein Jahr im Voraus nur noch schwer zu bekommen. Selbst bei Zelt- und Campingplätzen kann es bei kurzfristig geplanten Reisen schon mal zu Engpässen kommen.
Und hier sind weitere Empfehlungen, wie man dem Touristenrummel aus dem Weg gehen kann:
1.) anstatt Städtetrips oder Rundreisen länger an einem Ort bleiben, sich auf eine Region konzentrierenund diese intensiv erkunden und damit neben den Highlights auch weniger bekannte Sehenswürdigkeiten entdecken
2.) in der Nebensaison (Winter, April & Oktober) verreisen (beste Reisezeit)
3.) Top-Sehenswürdigkeiten vermeiden bzw. versuchen, den Massen durch einen Besuch früh am Morgen entgehen
4.) individuell verreisen anstatt mit der Großgruppe im Reisebus
5.) einfach mal die zweitschönste Tour oder Ortschaft wählen
6.) nach Insidertipps suchen und Einheimische/andere Reisende fragen
7.) nicht immer nur die Orte und Sehenswürdigkeiten aussuchen, die einfach zu erreichen sind
8.) nachhaltig reisen: wer mit Bahn od. Rad reist, geht mit der Wahl des Fortbewegungsmittels den meisten Touristen aus dem Weg
Textbeitrag von Hannah Grimmel. Weitere Informationen, Fakten und Zahlen finden Sie im Kapitel: Tourismus in Schottland