INHALT Um die Polarlichter ranken sich viele Mythen und Erzählungen
Sie entstehen bei hoher Solaraktivität und können verschiedene Formen und Farben annehmen
In Schottland gibt es einen der dunkelsten Nachthimmel Europas und vor allem in den Herbst- und Wintermonaten besteht die Wahrscheinlichkeit, Nordlichter zu sehen
In den Dark Skye Parks sowie an den Skye Discovery Sites können bei guten Wetterverhältnissen nicht nur Polarlichter, sondern auch ein atemberaubender Sternenhimmel bewundert werden
Mirrie Dancers – Fröhliche Tänzer. So nennen die Bewohner Shetlands das fantastische Lichtspiel am nächtlichen Himmel, welches unter dem wissenschaftlichen Terminus aurora borealis oder auch ganz einfach als Polarlicht bekannt ist. Eine der vermutlich ersten schriftlich festgehaltenen Beobachtungen solcher Lichtphänomene findet sich in einer babylonischen Keilschrift von vor etwa 2500 Jahren. In dieser wird von ungewöhnlich rotem Leuchten am Nachthimmel berichtet. Der zusammengesetzte Begriff soll 1619 von Gallileo geprägt worden sein.
Mythen und Erzählungen
Auch in der Antike nahmen die Menschen das Himmelsleuchten war. Eos, die Göttin der Morgenröte, war ihrer Meinung nach für die Lichter verantwortlich. Im Streitwagen fuhr sie zu ihren Geschwistern, der Sonne und dem Mond, und überbrachte die Kunde des Anbruchs eines neuen Tages. Ihr entsprach die römische Göttin Aurora, nach der die Lichter auch benannt sind. Borealis (griech.) meint so viel wie Nordwind. Im antiken Griechenland schrieben Poeten in ihren Versen über ein in der Dämmerung – Aurora - vorhandenes Spiel der Lichter am sonst dunklen Nachthimmel.
In Schottland lautet die gälische Bezeichnung für das Phänomen Na fir Chlis, was so viel wie flinker/ lebendiger Mann bedeutet. In den Mythen und Legenden wurde überliefert, dass es sich bei den Polarlichtern um gefallene Engel oder Himmelskrieger handelt, die sich schwere Kämpfe lieferten. Die Blutjaspis-Edelsteine (grüne Heliotrope mit roten Flecken), die auf den Hebriden zu finden sind, beinhalten der Legende nach entsprechend die Blutstropfen, die während des Gefechts vom Himmel gefallen sind. (→ Mythen anderer Länder und Völker finden Sie am Ende des Artikels)
Vereinfachte wissenschaftliche Erklärung
Von unserem heutigen wissenschaftlichen Standpunkt aus scheinen die Annahmen zu den Polarlichter sehr fantastisch. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass die Menschen in der damaligen Zeit nicht wussten, worum es sich bei dem Phänomen handelt. Mit den Mythen haben sie versucht Erklärungen für die unbegreiflichen Lichterscheinungen zu finden. Der Zusammenhang zwischen dem Erdmagnetfeld und den Lichtern wurde im 17./18. Jahrhundert entdeckt und die Existenz der Sonnenwinde sogar erst in den 1950er Jahren bewiesen.
Die naturwissenschaftliche Begründung ist also eine etwas andere: Ausschlaggebend für die Entstehung von Nordlichtern ist eine hohe Solaraktivität. Bei Stürmen auf der Sonne werden geladene Teilchen, so genannte Sonnenwinde, ins Weltall geschleudert und können dabei auch zur Erde gelangen. Wenn dies der Fall ist, wird das Magnetfeld verzerrt, indem die geladenen Partikel in die Erdatmosphäre eindringen und dort mit den Atomen und Molekülen aufeinanderprallen. Durch diesen Vorgang werden die Atome angeregt und beginnen zu floureszieren, also zu leuchten. Dieses Phänomen, welches sich an den Linien der Magnetfelder abspielt, nehmen wir als Leuchten am Himmel wahr.
Erscheinungsformen und Auftreten der Polarlichter
Jenachdem welche Gaspartikel kollidieren, ändert sich die Farbigkeit. So gibt es nicht nur das bekannte grünliche Schimmern am Nachthimmel, sondern auch blaues, lilanes, rötliches oder orangenes Licht. Auch weiß-gräuliche Schleier wurden schon gesehen. Doch nicht nur die Farbe, sondern auch die Erscheinungsform der Nordlichter kann unterschiedlich ausfallen. Zum Teil wirken sie wie verstreute Wolken. Sie können aber auch als schwungvolle Bögen, kräuselnde Schleifen oder strahlenförmig in Erscheinung treten. Gemein haben sie, dass sie sich meist verändern und bewegen und somit sehr aktiv wirken. Oftmals scheinen sich die „Vorhänge“, die aus mehreren Streifen bestehen, von Westen nach Osten zu ziehen.
Die größte Wahrscheinlichkeit Nordlichter in Schottland zu sehen, besteht in den Herbst- und Wintermonaten von Mitte Oktober bis Mitte März.
Es kann vorkommen, dass die Lichter schon im September oder später im April auftreten. Auch die Uhrzeit lässt sich nicht genau festlegen. In den meisten Fällen findet das kurze Schauspiel von wenigen Minuten und manchmal sogar nur Sekunden zwischen 21Uhr und 4 Uhr morgens statt. Es kommt aber auch vor, dass es bis zu 30min oder sogar Stunden am Himmel zu bewundern ist.
Auf den Shetland-Inseln, den nördlichsten Punkt Schottlands, ist die Wahrscheinlichkeit Nordlichter zu beobachten am größten. Die Inseln befinden sich auf einer Höhe mit Kamschatka in Russland oder der Insel Nunivak in Alaska. Doch auch auf den Orkney-Inseln, den Äußeren Hebriden, Caithness Coast and Sutherland, der Isle of Mull, Isle of Skye und Isle of Coll sowie in Wester Ross Coast, Moray Coast, in den Cairngorms, in Perthshire, den Highlands im Allgemeinen und Galloway im Süden des Landes können Nordlichter auftreten. Mit viel Glück sind sie sogar in ganz Schottland zu sehen. Zum Beispiel in der Region Fife, North Berwick oder sogar von Arthur’s Seat und Calton Hill in Edinburgh. Erst Ende September 2020 konnten Nordlichter in Glasgow bewundert werden.
Für Menschen, die die Lichter gerne einmal mit eigenen Augen sehen möchten, gibt es Aurora Warn-Apps. Sie informieren einen, sobald die Wahrscheinlichkeit, Polarlichter zu sehen, besteht und zeigen die Orte an, an denen sie vermutlich am besten zu erkennen sein werden. Doch auch dann ist es leider nicht garantiert, dass die Lichter auftreten. Denn neben der Solaraktivität spielen auch die Bedingungen auf der Erde eine große Rolle.
Beobachten und Fotografieren von Polarlichtern
Wichtig ist, dass es in der Umgebung so wenig Lichtverschutzung wie möglich gibt. Das heißt, dass im besten Fall keine Städte, Laternen, Autos oder andere Lichtquellen in der Nähe sein sollten. Zudem muss es sich um eine kalte und klare Nacht ohne (oder mit nur sehr wenigen) Wolken handeln. Eine einfache Regel lautet:
Nur wenn sich die Sterne am Himmel zeigen, kannst du auch die Lichter sehen.
Auch bei Vollmond ist die Sicht verringert. Wenn Lichtquellen benötigt werden, wird rötliches anstelle von weißem Licht empfohlen.
Das Phänomen spielt sich meist in Richtung Norden ab, wodurch es ratsam ist, einen Kompass zur Orientierung mitzunehmen. Doch auch warme, gut isolierende Kleidung sowie wärmende Getränke und viel Geduld sollten in den kalten Nächten unter dem schottischen Sternenhimmel nicht fehlen.
Die Kamera ist häufig besser in der Lage die Lichter zu erkennen, als der Mensch mit bloßem Auge. Von Hobbyfotografen wird empfohlen, ein Stativ und ein lichtstarkes Objektiv mitzunehmen. Die Belichtung, so wird es oftmals geschrieben, liegt bei 20-30 Sekunden und der ISO Wert zwischen 100 und 400. Da die Anzeige bei der Kamera das Bild zum Teil heller darstellt, als es dann tatsächlich ausfällt, wird von Fotografen auch der regelmäßige Blick auf das Histogramm nahegelegt. Aufgrund der absoluten Dunkelheit und der Vermeidung von störenden Lichtern, sollten zudem die bevorzugten Orte schon bei Tageslicht erkundet und der beste Fotospot bestimmt werden.
Schottland - Ein Paradies für Sternenliebhaber
Dass Schottland einen idealen Ausgangspunkt für Nordlicht-Begeisterte und generell Sternenliebhaber bietet, liegt an der geringen Lichtverschmutzung.
Die geringe Besiedlung und das große Engagement für den Erhalt der Dunkelheit ermöglichen einen der dunkelsten Nachthimmel Europas.
So befinden sich gleich zwei Dark Sky Parcs (Lichtschutzgebiete) in Schottland, wobei der 777km2 große Park in Galloway sogar der erste seiner Art in Großbritannien war. Somit hat die Gegend nicht nur landschaftlich und historisch viel zu bieten. Unter anderem werden abendlich-nächtliche Veranstaltung des Observatoriums angeboten. Es ist aber auch möglich sich mit eigenem Equipment, oder einfach nur so, unter den Sternenhimmel zu legen.
Der zweite Park liegt in den Cairngorms, welche sich in den Central Highlands befinden. Während tagsüber die sagenhafte Hügel- und Heidelandschaft durchwandert werden kann, zeigt sich Schottland bei Nacht von einer ganz anderen, atemberaubenden Seite. In Tomintoul und Glenlivet in Moray gibt es den dunkelsten Sky Parc Großbritanniens sowie den nördlichsten der Welt. Nur mit einem kleinen Fernglas ausgestattet, zeigen sich der Orion-Nebel oder die Andromeda-Galaxie. Auf der Internetseite des Parks ist zudem zu erfahren, was an diesem Tag oder in dem Monat mit bloßen Auge zu erkennen ist.
Es zeigt sich bei diesem Thema sehr deutlich, dass Schottland nicht nur zu den schönsten, sondern auch zu den dunkelsten und faszinierensten Ländern der Welt gehört.
*Exkurs: Polarlichter-Mythen in anderen Ländern
Schon die Wikinger versuchten Erklärungen für die nächtlichen Lichtphänomene zu finden und vermuteten darin eine Erscheinungsform ihrer Götter. So sollten die Lichter durch Reflexionen an den Rüstungen der Walküren entstanden sein, die dem Gott Odin Krieger für die Schlacht brachten.
Den Bezug zu verstorbenen Kriegern gab es auch bei anderen nordischen Stämmen. Bei manchen war es der Atem der tapferen Krieger, die ihr Leben im Kampf gelassen haben, bei anderen handelte es sich um eine Art „Lichtbrücke“, die den Seelen den Weg nach Walhalla wies, der letzten Ruhestätte.
Weitere Völker sahen darin ebenfalls die Seelen Verstorbener und achteten stets darauf, nicht unter den Lichtern zu stehen. Pfeifen, winken oder singen konnte die Aufmerksamkeit auf die unten stehende Person lenken und dann war es möglich, dass die Lichter nach unten griffen und denjenigen in den Himmel zogen. Von manchen wurde auch berichtet, dass der Kopf abgeschlagen wurde.
Bis heute bleiben die Menschen aus der Region lieber im Haus, wenn die Polarlichter erscheinen.
Doch nicht alle Völker verbanden Negatives mit den Nordlichtern. In Norwegen, so der Mythos, werden die Lichter von den Seelen alter Jungfern verursacht, die über den Himmel tanzen und dabei den Menschen auf der Erde zuwinken. In Grönland erzählte man von den tanzenden Seelen verstorbener Kinder. Für die Isländer hatten die Polarlichter heilende Wirkungen. Sie sollen, laut der Erzählungen, zur Linderung der Schmerzen bei einer Geburt verhelfen. Jedoch, so heißt es weiter, darf die Mutter nicht in die Lichter schauen, da sie sonst ein schielendes Kind zur Welt bringt.
Oftmals besteht auch eine Verbindung zu den Tieren und der Natur. In den dänischen Mythen heißt es, dass es einen Wettstreit zwischen den Schwänen gibt, wer am weitesten in den Norden fliegen kann. Dabei kommt es vor, dass ein Schwan vom Eis gefangen wird. Beim Versuch sich wieder zu befreien, schlägt er mit den Flügeln und erzeugt dabei die Lichter am Himmel.
Auch in Finnland ist ein Tier die Ursache für das Leuchten. Arktische Füchse sollen so schnell rennen, dass, wenn ihre Ruten gegen die Berge schlagen, Feuerfunken entstehen, die den Himmel zum Leuchten bringen. Eine andere Variation des Mythos besagt, dass sie beim Rennen Schneeflocken aufwirbeln, welche vom Mondlicht erfasst werden und so die Lichter erzeugen. Nach diesen Erzählungen sind die Nordlichter in Finnland auch benannt. Revontulet heißt übersetzt Feuerfuchs.
In Schweden wurden die Nordlichter ebenfalls sehr positiv ausgelegt. Für die Fischer waren es Reflektionen, erzeugt von großen Heringsschwärmen im Wasser, was einen großen Fang und Hoffnung auf ein gutes Leben bedeutete.
Bei vielen nordamerikanischen Völkern dienen die Polarlichter als Medium, um mit den Verstorbenen zu kommunizieren.
Auch Tiere können in den Lichtern ihre verstorbenen Freunde wiederfinden und zu ihnen Kontakt aufnehmen.