INHALT die schottische Unabhängigkeit wurde nach der Union von 1707 immer wieder zum Thema
vor allem die Entwicklungen des 20. Jh. belasteten die schottisch-englische Beziehung
das erste Referendum zur schottischen Selbstverwaltung innerhalb Großbritanniens scheiterte 1978 am Kleingedruckten
nach einem zweiten, erfolgreichen Referendum wurde 1999 das schottische Regionalparlament (wieder)eröffnet
seit 2007 wurde die bis dahin dominierende Labour Partei von der Scottish National Party (SNP) verdrängt
im Jahre 2014 hielt die schottische Regierung erstmals eine Volksabstimmung zur schottischen Unabhängigkeit ab
55% stimmten dagegen, 45% dafür, das Referendum verzeichnete eine Rekordwahlbeteiligung
seit dem beschlossenen Austritt Großbritanniens aus der EU, zieht die schottische Regierung ein zweites Referendum in Betracht
Das 20. Jahrhundert in Schottland
In den letzten 100 Jahren ging es in Schottland recht turbulent zu. Trotz der Vereinigung der Königshäuser von England und Schottland im 17. Jahrhundert unter James VI und der Union der Parlamente im frühen 18. Jahrhundert, kam das Thema der Unabhängigkeit Schottlands immer wieder auf.
Trotz der politischen Union mit dem Rest Großbritanniens hatte das Land sich immer ein wenig Selbständigkeit erhalten: Sie bringen noch heute ihre eigenen Banknoten heraus, haben ihr eigenes schottisches Bildungssystem sowie Justizwesen und die schottische presbyterianische Kirche ist noch heute unabhängig von der anglikanischen Kirche im Süden.
Doch anfänglich (von den Jakobitenaufständenin Schottland mal abgesehen) ging es den Schotten in der Union gut: Der Handel florierte und vor allem Glasgow wurde zum zweitwichtigsten Hafen des britischen Empire.
Der Zugang zum britischen Commonwealth brachte den Handel mit Zucker, Baumwolle und Tabak und die Möglichkeiten schienen grenzenlos.
Aus dem armen Schottland wurde das Zentrum der Aufklärung, die Heimat von zahlreichen Dichtern, Erfindern, Ingenieuren sowie Lenkern und Denkern der modernen Welt. Das alles nahm jedoch ein jähes Ende als das 20. Jahrhundert mit seinen Weltkriegen, Unruhen und Wirtschaftskrisen kam.
Der Verlust der Kolonien war für Schottland wirtschaftlich ein harter Schlag und sowohl der Arbeitermangel während des 1. Weltkriegs wie auch die daraus resultierende Inflation vergrößerte die Schere zwischen Reich und Arm nur noch mehr. Rufe nach einem faireren Wahlrecht wurden immer lauter und das Ende des Krieges verschärfte die Situation noch mehr.
Arbeitslosigkeit nahm wieder zu, die schottische Schwerindustrie kam gegen die internationale Konkurrenz mit ihren günstigen Preisen nicht mehr an und ab 1929 schlug auch noch die Weltwirtschaftskrise zu. Das führte zu zahlreichen Arbeiteraufständen und hohen Wahlsiegen der schottischen LabourPartei, die ab 1922 in Schottland sogar eine absolute Mehrheit erhielten. Gleichzeitig wurden die schottischen Interessenvon Westminster nicht mehr ausreichend vertreten: Subventionen kamen oftmals nur der (Land-)Wirtschaft in England und Wales zugute und führte teilweise sogar zum Zusammenbruch einer ganzen Industrie in Schottland.
Wenig überraschend also, dass die Rufe nach einer erneuten schottischen Unabhängigkeit nach dem 2. Weltkrieg immer lauter wurden.
Die Scottish National Party (SNP) nahm sich dieser Sache an und erfreute sich in den 1950er und 60er Jahren eines regen Zuwachses. Spätestens im Jahre 1967 etabliert sich die Partei der schottischen Unabhängigkeit im britischen Parlament. Mit den Ölfunden in der schottischen Nordsee im Jahre 1969 bekam die Idee der Unabhängigkeit weiteren Aufschwung, obwohl aufgrund des damals fehlenden Know-Howsim Lande auch heute noch überwiegend norwegische und amerikanische Firmen hier maßgebend sind.
Im Jahre 1973 empfahl sodann eine Regierungskommission, Schottland seine eigene Landesregierung zu geben, woraufhin 1978 ein Referendumabgehalten wurde. 51,6% der Wähler sagten ja zum Regionalparlament, da jedoch die 40%-ige Mindestwahlbeteiligung nicht erreicht wurde, hatte das Ergebnis keine Auswirkungen.Die SNP brachte daraufhin die Regierung zu Fall, was zu Neuwahlen führte undMargaret Thatcher an die Macht brachte. Auch heute noch wird die Premierministerin in Schottland für den Verfall der wichtigsten schottischen Wirtschaftszweige (v.a. Schwerindustrie, Textilindustrie und Schiffsbau) verantwortlich gemacht.
Auch die Regierung unter Thatcher’s Zögling John Majorhalf den schottischen Interessen mit zahlreichen Privatisierungen und der Rückdrängung der Gewerkschaften nicht weiter.
Als Folge hatte Glasgow, die ehemals zweitwichtigste Stadt im gesamten britischen Empire, eine Arbeitslosenquote von über 23% vorzuweisen.
Als 1997 mit Tony Blair die Labour Partei erstmals wieder an die Macht kam, erkämpften dieseeinzweites Referendum zur Frage des schottischen Regionalparlaments. Diesmal sprachen sich 74% für die Teilunabhängigkeit aus. Am 12.5.1999 wurde das neue schottische Regionalparlament von der Parlamentspräsidentin Winnie Ewing(SNP) mit den folgenden Worten feierlich eröffnet:
„Das schottische Parlament, das am 25.3.1707 vertagt wurde, ist hiermit wieder zusammengetreten!“
Seitdem dürfen sich die 129 Parlamentarier in Holyrood (Edinburgh) um alles außer Verfassungsfragen, Außenpolitik, Verteidigung, bestimmte Finanz-/Wirtschaftsfragen, soziale Sicherheit und den öffentlichen Dienst kümmern. Gleichzeitig wurde in Schottland ein proportionales Wahlsystem eingeführt, im Gegensatz zum First-Past-The-Post System (Mehrheitswahl) in Westminster.
Um in den für Westminster reservierten Bereichen weiterhin Mitspracherecht zu haben, sind die Schotten auch weiterhin mit 59 (Unterhaus) bzw. 16 Sitzen (Oberhaus) in London vertreten. Eine Tatsache, die Unwillen bei den Engländern hervorruft, da durch das Fehlen eines englischen Regionalparlaments dadurch die Schotten in englischen Fragen mitentscheiden dürfen, aber nicht umgekehrt. Hieraus entstand die EVEL-Kampagne der Konservativen Partei (English Votes for English Laws).
In den folgenden Jahren gab die Labour Partei bei schottischen Wahlen den Ton an, bis die SNP ab dem Jahre 2007 überraschend in Führung ging und folglich im Jahre 2014 ein Referendum zur schottischen Unabhängigkeit ansetzte.
Referendum zur schottischen Unabhängigkeit
Im November 2013 beschloss das schottische Parlament, eine Volksabstimmung zur schottischen Unabhängigkeit abzuhalten. Nach einer turbulenten Zeit, in der beide Seiten – die YES-Kampagne und die “Better Together”-Kampagne – um Stimmen buhlten, zahlreiche Politiker durch das Land reisten und unzählige öffentliche Wahldebatten abgehalten wurden, machten dann alle in Schottland ansässigen Wahlberechtigten ihr Kreuz. Am Ende stimmten 2 Mio. Schotten (55.3%) gegen die Unabhängigkeit, während sich 1,6 Mio. (44.7%) dafür aussprachen.
Dass den Schotten das Thema am Herzen lag, konnte man an der Rekord-Wahlbeteiligung von 84.6% deutlich sehen.
Doch der Popularität der SNP tat das keinen Abbruch: Obwohl der damalige Ministerpräsident und Parteivorsitzende Alex Salmond nach dem erfolglosen Referendum zurücktrat, stieg die Mitgliedschaft der Partei nach dem Referendum von rund 26.000 auf 116.000 an. Außerdem wurde die SNP nach den Parlamentswahlen für Westminster im Jahre 2015 zur drittgrößten Fraktion im Unterhaus: 56 der 59 schottischen Parlamentarier stellt die SNP derzeit, mit nur jeweils einem Abgeordneten der Konservativen, Labour und Liberaldemokratischen Partei. Bei der vorherigen Wahl hatte es die SNP gerade mal auf 6 Abgeordnete gebracht.
Ein ähnliches Bild zeigte sich nach den schottischen Parlamentswahlen im Mai 2016, wonach die SNP weiterhin die größte Fraktion in Holyrood bildet, mit Salmond-Nachfolger Nicola Sturgeon als Ministerpräsidentin.
Seit dem Referendum im Juni 2016, das den Austritt Großbritanniens aus der EU beschloss (“Brexit"), sind die Rufe nach schottischer Unabhängigkeit wieder laut geworden.
Vor allem, da alle Wahlbezirke in Schottland im Referendum mit großer Mehrheit für den Verbleib in der europäischen Gemeinschaft stimmten. Das Gesamtergebnis des EU-Referendums in Großbritannien war sehr knapp: Mit einer Wahlbeteiligung von über 72% stimmten 51.9% für den Ausstieg, während 48.1% für den Verbleib stimmten. In Schottland zeigt sich dagegen ein ganz anderes Bild: 62% stimmten für den Verbleib und nur 38% sprachen sich für Brexit aus. Die Auswirkungen von Brexit auf Schottland sind momentan noch ungewiss.