INHALT Die Verbote zur Einschränkung der gälischen Kultur waren nur ein Bestandteil der Highland Clearances
Als Voraussetzung für die tragischen Folgen wird die Auflösung der Clan-Strukturen genannt und die hohe Verschuldung der Gutsbesitzer
Umsiedlung und (Zwangs-)Emigration, um vor allem Fläche für Schafe zu schaffen
Auswirkungen der Highland Clearances bis heute spürbar
Der Versuch einer Zusammenfassung
Das Thema, um das es sich in diesem Artikel handelt, mit wenigen Worten zusammenzufassen, ist bei einem solchen komplexen und bis heute emotionalen Sachverhalt nicht einfach. Die Umsiedlung von Mensch und Tier von einer Region in eine andere, kommt der wörtlichen Bedeutung der Highland Clearances, die etwa im Zeitraum von 1750 - 1860 stattfanden, womöglich am nächsten. Doch die Konsequenzen für die betroffene Bevölkerung, die existenziellen Ängste, Ungewissheiten und Traumata, werden bei dieser kurzen Zusammenfassung nicht im geringsten berücksichtigt.
Die Verbote der gälischen Kultur nach der Schlacht von Culloden 1746, die schon vorher langsam einsetzende Auflösung der Clan-Strukturen sowie die voranschreitende Agrar-Revolution sind entscheidene Faktoren. Auch die Themen Geld, Überbevölkerung und Hungersnöte spielen eine große Rolle.
“The day will come when the big sheep will put the plough up in the rafters . . .
The big sheep will overrun the country till they meet the northern sea . . . in the end, old men shall return from new lands.”
(Prophezeihung aus dem 17. Jahrhundert von The Brahan Seer)
Verbot der gälischen Kultur
Die Schlacht von Culloden am 16. April 1746 brachte nicht nur viele Opfer auf Seiten der Jakobiten mit sich. Auch das Leben danach sollte sich für die schottische Bevölkerung, vor allem in den Highlands, komplett verändern. Diese waren mit ihrer Kultur und Geschichte stark verwoben und besaßen aufgrund dessen einen großen Stolz. Mit dem „Act of Proscription“ 1747 sollte ihnen genau das genommen werden, um weitere Aufstände zu verhindern. Durch den Erlass war für mehrere Jahrzehnte das Tragen von Tartans und somit der Tracht der Clans verboten. Auch Dudelsäcke, die damals als Kriegsinstrumente galten und somit zu den Waffen zählten, wurden untersagt. Ein bis in die moderne Zeit wirkendes Verbot galt dem Gälischlehren und -sprechen, was fast zum Aussterben der Sprache geführt hat. Es wird davon ausgegangen, dass heutzutage weniger als zwei Prozent der Bevölkerung noch die gälische Sprache sprechen.
Auflösen der Clan-Strukturen
Die Anfänge gehen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Familie und Treue waren für die schottischen Clans von größter Bedeutung. Viele große Familien waren seit Jahrhunderten für die Ländereien verantwortlich und viele Pächter über mehrere Generationen bei ihnen angesiedelt.
1603 vereinte König James VI. England, Schottland und Irland unter einer Krone (► Gründung des Vereinigten Königreichs). Die Königreiche regierte er von Westminster (England) aus und soll Schottland nur noch einmal nach seinem Umzug besucht haben. Er war ein sehr misstrauischer König und hatte Sorge, dass die Clans in seiner Abwesenheit an Macht dazugewinnen und möglicherweise Rebellionen oder Komplotts ausüben könnten. Aus diesem Grund gab er den Clan Chiefs Aufgaben, die sie beschäftigten und von ihren Clans fernhielten. Die Treue sollte beim König und nicht beim Clanoberhaupt liegen.
Durch die Absetzung des schottischen Königs und den „Act of Union“ 1707 fühlten sich die Schotten verraten und es kam zu den Jakobitenaufständen. Der bekannsteste und in seinen Folgen weitreichendste Aufstand war der unter Bonnie Prince Charlie (► siehe auch: Die Stuarts in Schottland) mit der schon erwähnten Schlacht von Culloden. Im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte begannen die Clan Chiefs sich weniger als Oberhäupter zu sehen, sondern vermehrt als Landbesitzer. Die Verantwortung, die sie davor noch für ihre Mitglieder hatten, wurde durch den Perspektivwechsel geschmälert. Gerade im Süden Schottlands wurde die englische Kultur adaptiert und es bestand eine größere Verbindung zu den Engländern, als zu den Highlandern. Diese wurden zum Teil als veraltet und zurückgeblieben angesehen. Der Versuch mit den Nobelmännern aus dem Süden mithalten zu können, war finanziell für viele Adlige aus dem Norden Schottlands jedoch kaum umsetzbar und nicht wenige verschuldeten sich, mit schweren Folgen für die auf dem Estate (Landgut) ansässigen Bevölkerung. Auch die verbesserten Handels- und Kommunikationsverbindungen sollen den Prozess der Auflösung der Clan-Strukturen vorangetrieben haben sowie der Versuch, Bestandteil der südlichen oberen Gesellschaftsschicht zu bleiben. Viele der Gutsbesitzer lebten inzwischen in Edinburgh oder London.
Agrarrevolution und die Folgen
Die offensichtlichsten Ursachen für die Highland Clearances waren die Agrarrevolution und die Industrialisierung.
Das „Run rig“ System, was bis dahin in den Highlands praktiziert wurde, galt auf einmal als überholt und wurde aufgegeben. Dabei teilten sich mehrere Farmer ein Stück Land, welches aus drei Teilen Bestand. Es gab Acker, - Weideflächen und Flächen für eine grobere Beweidung. Damit aber eine gewisse Gerechtigkeit vorherrschte, wurden die unterteilten Ackerflächen in regelmäßigen Abständen gewechselt. Der Rest wurde gemeinsam von den ansässigen Farmern genutzt.
Die neue Form der Flächennutzung wurde aus den Lowlands übernommen. Die Städte wuchsen und die Bewohner brauchten Nahrungsmittel. Die Flächen in den Highlands wurden vor allem für die Viehwirtschaft interessant. Es ging jetzt also darum, mehr Schafe ansiedeln zu können. Hier kommt auch der finanzielle Aspekt zum Tragen. Zwar haben die Landbesitzer die Pachtgebühren für die Anwohner so oft es ging erhöht, aber es brachte mehr Geld ein, größere Flächen an weniger Personen zu vermieten, zumal diese auch in der Lage waren mehr zu bezahlen. Dass sich bedingt dadurch auch die administrativen Aufgaben verringerten, wird möglicherweise einen weiteren positiven Aspekt für die Besitzer ausgemacht haben. Es wurden damals, wie es auch heute üblich ist, Menschen für die Erneuerung der Betriebe und deren Umsetzung eingestellt.
Die Flächen wurden aber nicht nur für die Schafszucht genutzt. Einige Gutsbesitzer sahen nun auch die Möglichkeit, Freiraum für Wild und somit für die Jagd zu schaffen. Bei anderen kamen zuerst die Schafe und später dann der Wechsel zum Wild.
Doch auch bei einem so emotionalen Thema darf man nicht vergessen beide Seiten zu betrachten. So wurden die Clanoberhäupter gezwungen sich den englischen Regeln zu beugen. Der „Heritable Jurisdictions Act“ ermöglichte es denen das Land wegzunehmen, die sich nicht daran hielten. Auch sollen wegen der hohen Schulden 2/3 der Highland Estates bis 1850 verkauft worden sein. Zudem gab es Gutsbesitzer, die versucht haben ihre Pächter und deren Familie zu halten, was jedoch mit der Entwicklung der Agrarwirtschaft und den steigenden Kosten für die Besitzer immer schwieriger wurde. In einem Artikel stand die Frage, ob es denn eine Alternative zu der Umsiedlung und Emigration gab?
Umsiedlung
Die seit vielen Jahren in den Highlands lebenden Familien wurden während der Clearances oftmals an die Küste umgesiedelt und waren nun Crofter und keine Farmer mehr. Dadurch passten mehrere Pächter auf weniger Land. Sie sollten sich dort auch anderen Beschäftigungsfeldern wie der Fischerei oder der Seetang-Verarbeitung widmen und wurden mit den neuen, ungelernten Aufgaben sich selbst überlassen. Über das Land, welches sie zur Verfügung gestellt bekamen, hatten sie jedoch keine Rechte. In den Crofting-Gebieten kam es trotz der Umstände schnell zur Überbevölkerung, was bei dem Zusammenbruch der Seetang-Industrie nach den Napoleanischen Kriegen 1815 für viel Elend sorgte.
Innerhalb von 30 Jahren, von 1801 bis 1831, stieg die Bevölkerung Schottlands von 1.608.420 auf 2.364.386.
Die Immigration aufgrund der großen irischen Hungersnot nach Schottland spielt hier ebenfalls mit rein. Insgesamt waren es fast 50% mehr Menschen innerhalb kürzester Zeit. 200 000 davon lebten in den Highlands. Da die Gutsbesitzer die Verpflegung der auf ihrem Land ansässigen Personen sicherstellen mussten, stellte dieser Trend eine große Herausforderung da. Die schlechte Kartoffelernte und die dadurch hervorgerufene Hungersnot in den 1840er Jahren verstärkte das Elend. Viele Farmer versuchten ihr Glück im Süden und in den Städten zu finden. Dort wurden vor allem in den Mienen und Fabriken Arbeiter gesucht. Als Ziele dienten unter anderem Glasgow und Dundee.
Emigration
Interessant ist, daß noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts versucht wurde, die Menschen von der Emigration abzuhalten. Die Highlander dienten als Soldaten und wurden auch bei den amerikanischen Unabhängigskeitskriegen eingesetzt. Auch hatten die Gutsbesitzer Sorge, nicht genügend Arbeiter auf ihren Ländereien zu haben. Um die Überfahrt in ein neues Land zu erschweren, wurde der „Passenger Vessels Act“ 1803 beschlossen. Auf den Schiffen sollte eine gute Verpflegung und Unterbringung gewährleistet werden. Vorrangig diente das der Eindämmung von Krankheiten an Bord. Dadurch wurden aber auch die Tickets teurer, wodurch es sich viele nicht mehr leisten konnten, überzusiedeln.
Einer der Gründe, dass die Clanoberhäupter ihre Loyalität ihren Mietglieder gegenüber nicht mehr als so wichtig empfanden, war, dass sie keine militärischen Streitkräfte mehr haben durften und sie die große Anzahl von Pächter nicht mehr unbedingt brauchten. Neben den Umsiedlungen in die Küstengebiete gab es im weiteren Verlauf der Clearances zum einen die freiwillige, zum anderen leider aber auch oftmals erzwungene Emigration. Amerika, Kanada und später auch Australien waren häufige Ziele der Schiffe. Oftmals wurden die Tickets von den Gutsbesitzern bezahlt, da diese Lösung immer noch günstiger war, als die Beschaffung neuen Landes für die Vertriebenen oder die Sicherstellung von deren Versorgung. Insgesamt sollen während der Hungersnot von 1846-55 bis zu 11.000 Menschen ausgesiedelt worden sein. Auch die Highland and Island Emigration Society ermöglichte eine Übersiedlung, unter anderem nach Australien. Über diese Organisation sind weitere 5000 Menschen emigriert. Die Personen, die sich ihr Ticket selber finanziert haben und auf eigene Faust ihr Glück in der neuen Welt gesucht haben, sind in dieser Statistik nicht mit einberechnet.
Es wird davon ausgegangen, dass mindestens 70.000 Menschen umgesiedelt worden sind und ungefähr 20.000 davon schon alleine nach Kanada.
Beispiele für Schicksale während der Highland Clearances
In dem Estate der Duchess of Sutherland wurden im Zeitraum von 1811 bis 1821 ungefährt 15.000 Personen ihres bisherigen Wohnortes beraubt, um Platz für 20.000 Schafe zu schaffen. Damit die Menschen nicht wieder zurückkommen (konnten), wurden die Dächer der Häuser zerstört oder die Gebäude abgebrannt. Es heißt, dass auf der Höhe der Clearances insgesamt um die 2000 Cottages pro Tag zerstört wurden. Noch heute sind die Ruinen der Siedlungen an manchen Orten zu finden.
Die Isle of Rum wurde 1826 so gut wie entvölkert und die ehemaligen Bewohner nach Kanada gebracht. Als das Schiff „James“ jedoch im Hafen von Hailax anlegte, haben sich bis dahin alle Passagiere mit Typhus angesteckt. 1851 erging es 1500 Bewohnern auf Barra, einer Insel der Äußeren Hebriden, nicht besser. Unter dem Vorwand eines Treffens wegen der Pachtgebühr, kamen die Leute zusammen, wurden überwältigt, gefesselt und sollen dann nach Amerika gebracht worden sein. Einige Zwangsemigrierte zu der Zeit sollen von ihren Oberhäuptern sogar als Sklaven verkauft worden sein.
Schlussfolgerung
Die Weissagung des Brahan Sehers scheint sich befürwortet zu haben.
Da Menschen weniger lukrativ waren als Schafe, waren diese gezwungen zu emigrieren oder mussten die Zwangsumsiedelungen erleiden.
Zwar hatte Schottland später eine der modernsten und produktivsten Landwirtschaften, der Fortschritt hatte in diesem Fall aber einen sehr hohen Preis. Doch so erging es nicht nur den Highlandern. Auch in den schottischen Lowlands fand zuvor eine solche Entwicklung statt. Gedichte, wie „the wounded Hare“ von Robert Bruce, oder Peter Hall zeigen die Wunden, die durch die Highland Clearances entstanden sind, besonders deutlich. Die Schafzucht wird von manchen noch immer als die "Geißel Schottlands" bezeichnet. Doch es gibt heutzutage über 500 Clan Gesellschaften auf der ganzen Welt, die sich noch regelmäßig treffen, ihre Tradition pflegen und ihres Ursprungs gedenken. Es wird davon ausgegangen, dass dreimal mehr Menschen schottischer Herkunft auf der Welt verteilt leben, als in Schottland selber.
Ein Textbeitrag von Julia Zinn.